10.12.2021

Zusehen reicht uns nicht!

Zusehen reicht uns nicht!
Zusehen reicht uns nicht!
Zusehen reicht uns nicht!

Flutkatastrophe im Ahrtal: Helfer haben einen langen Atem und Hilfe hat viele Gesichter

 

Mehr als 130 Tote, hunderte Häuser zerstört, tausende Menschen ohne Obdach, tausendfach verlorene Existenzen und Hoffnungen. Die Flutnacht vom 14. zum 15. Juli wurde für die Menschen im Ahrtal (Rheinland-Pfalz) zur Katastrophe nie gekannten Ausmaßes. Die Bilder der Zerstörung ließen ahnen, dass ein Zurück zur Normalität, wenn überhaupt möglich, zur Kraftanstrengung kommender Jahre wird.

 

Dem Schock angesichts solch brachialer Naturgewalten, folgte die Ratlosigkeit der ersten Stunden und Tage danach. Doch wo Schatten ist, da ist auch Licht, denn noch während die abziehenden Fluten der Ahr das Ausmaß der Zerstörung ahnen ließen, formierten sich Wellen der Hilfsbereitschaft. Oftmals an Orten fernab der betroffenen Region und angeschoben von Menschen, die das Ahrtal bestenfalls als Punkt auf der Landkarte kannten.

 

„Wir sahen die Bilder im Fernsehen, waren geschockt über das Ausmaß der Zerstörung und entschieden spontan: Da müssen wir helfen!“ Für Karsten Bauer, wie auch für alle anderen Teilnehmer des diesjährigen Dachzelt Popup in Goldenstedt (Niedersachsen), einem Treffen vieler in Deutschland organisierten Dachzeltnomaden, begann mit den ersten Bildern vom Drama an der Ahr eine Spenden- und Hilfsaktion, die bis heute läuft.

 

"Wir wollen anpacken!"

„Das WIR zählt“ ist seit jeher Motto der Dachzeltnomaden, wie auch die Überzeugung, dass Anpacken, Hoffnung und Mut stets die besseren Ratgeber sind, als Verzweiflung oder Resignation. In nur zwei Tagen im Juli sammelten sie 7.000 Euro - bis heute wuchs die Spendensumme auf 56.000 Euro. „Aber Spenden sammeln war uns nicht genug. Wir hatten das Gefühl, mehr tun zu wollen. Zusehen, während im Ahrtal händeringend tatkräftige Hilfe benötigt wurde, reichte uns nicht aus. Nach einer kurzen Beratung im Dachzeltnomaden Kernteam entschieden wir, selbst ins Ahrtal zu fahren und uns ein Bild von der Lage vor Ort zu machen. Wir wollten anpacken, um mit unserem Beitrag einen Unterschied zu machen“, hieß es dazu.

 

Karsten Bauer war einer die vielen hundert Helfer aus den Reihen der Dachzeltnomaden, der neben Spendengeldern seither auch Zeit, Muskelkraft und sein Fachwissen ins Ahrtal brachte. Und Gründe, sich selbst einzubringen, die gab und gibt es reichlich, auch für Bauer: „Die Bilder in den Medien können keinesfalls ausdrücken, was dort unten geschehen ist. Es sieht dort so aus, wie wir uns ein Kriegsgebiet vorstellen. Die Menschen haben existenzielle Sorgen und Nöte, wissen vielerorts noch immer nicht, wie es weitergehen soll. Da zu helfen, ist eine extreme Motivation. Es gilt einfach, die schrecklichen Erlebnisse und Erfahrungen der Menschen dort, über unsere Hilfe vor Ort, also durch positive Eindrücke ein wenig auszugleichen. So entsteht Hoffnung und meist ein Lächeln in den Gesichtern derer, denen geholfen wird, aber auch bei jenen, die helfen.“

 

Hilfe nach körperlicher Überlastung 

Der selbstständige Rückentherapeut/Gesundheitscoach, der in Michendorf bei Potsdam eine Praxis betreibt, nahm sich bislang 25 Tage frei, um im Ahrtal selbst mit anzupacken – tagsüber mit Bohrhammer oder Schaufel, in den Abendstunden mit Fachwissen. „Direkt vor Ort habe ich Helfer massiert oder Folgen körperlicher Überlastung behandelt. Das sind ja alles ungeübte Leute, nur wenige kommen vom Bau. Viele hatten nach den Anstrengungen muskuläre Beeinträchtigungen oder verloren nach vielen Stunden harter Arbeit im Extremfall die Beweglichkeit ihrer Handgelenke.“

 

Insgesamt wuchs die Summe der Spenden der Dachzeltnomaden, inklusive Sachspenden wie Radlader-Mieten, Essen, Heizlüften und vieles mehr, auf rund 100.000 Euro. Wer mehr über die Spenden- und Hilfsaktionen der Dachzeltnomaden wissen möchte, findet viele Zahlen und Fakten unter https://dachzeltnomaden.com/dachzeltnomaden-hilfsaktion/ .

 

Und es gibt einen weiteren Grund, warum gerade Karsten Bauer auch heute noch die tägliche Arbeit in seiner Praxis unterbricht, um Menschen zu helfen, ohne dabei an irgendeine Gegenleistung zu denken. Es ist der Satz „Wer gibt gewinnt“, der Leitspruch des BNI (Business Network International), eines weltweit in 72 Ländern beheimateten Unternehmernetzwerkes, dessen Mitglied Bauer seit eineinhalb Jahren ist.

 

BNI - Helfen, wo Hilfe am nötigsten ist

„Seit Jahren organisiert BNI vielerlei Spendenaktionen, zumeist mit sehr regionalem Bezug“, sagt Alexandra Anger, Exekutivdirektorin im BNI Potsdam. Neben der finanziellen Unterstützung Geflüchteter beim Aufbau eines eigenen Unternehmens in Deutschland, der Aktion zugunsten der Brandenburger Tafel oder auch die Spendengelder, die im vergangenen Jahr in die Palliativ- Betreuung todkranker Kinder innerhalb der Björn Schulz Stiftung flossen. Die im BNI Potsdam angegliederten Unternehmen helfen dort, wo Hilfe am nötigsten ist“, sagt Alexandra Anger.

 

So auch im Fall Ahrtal, wohin über die BNI-Foundation bislang 82.000 Euro an Spendengeldern deutscher und österreichischer BNI-Mitgliedsunternehmen flossen. Und Hilfe aus den Reihen des BNI endet längst nicht mit dem Tag, an dem die schrecklichen Bilder der Flutkatastrophe aus den Medien verschwinden. Alexandra Anger dazu: „Weil wir die Notwendigkeit der weiteren Hilfe für das Ahrtal sehen und wohl auch, weil unser BNI-Mitglied Karsten Bauer sich so stark für die betroffene Region dort engagiert, haben wir während unseres BNI-Sommerfestes Gelder gesammelt. Die dort eingenommenen 500 Euro hat unsere BNI Foundation nun noch einmal um weitere 500 Euro ergänzt. Nicht zuletzt ist auch dies Ausdruck dafür, dass unser Leitspruch „Wer gibt, gewinnt“ universell gilt, erst recht aber dort, wo es um Menschen und ein Miteinander geht.“ Weitere Infos zum weltweit größten Unternehmernetzwerk: www.bni-potsdam.de

 

Foto 1: Hilfe für die Helfer: Der Rücken-Therapeut Karsten Bauer verlässt immer wieder seine Praxisräume in Michendorf, um freiwilligen Helfern im Ahrtal die Schmerzen nach harter Arbeit zu nehmen. Foto. privat

 

 

Foto 2: Macht der Naturgewalten: Rund 70 Prozent aller Gebäude entlang der Ahr wurden durch die Flut beschädigt. Foto: privat

 

Foto 3: Zeichen der Hoffnung: Rebecca, eine junge Frau aus Dernau an der Ahr, bat die Helfer der Dachzeltnomaden, noch ein letztes Mal Hand anzulegen. An jenes Haus, in dem sie aufwuchs und das durch die Arbeit der Helfer gerettet wurde. Foto: privat